Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (31.08.2022)
Heute im Studio: Michail Paweletz.
Guten Tag, willkommen zur tagesschau.
Die Nachricht vom Tod Michail Gorbatschows
löste weltweit Trauer aus.
Der Friedensnobelpreisträger und letzte Präsident der Sowjetunion
war gestern im Alter von 91 Jahren gestorben.
Die Würdigungen reichen von "guter Freund", "großer Staatsmann",
"Friedensstifter" bis zu politischem "Visionär".
Als Staatschef setzte sich Gorbatschow für eine Entspannung
mit dem Westen ein.
Er ermöglichte die Wiedervereinigung Deutschlands.
Seine Reformpolitik führte auch zum Zerfall der Sowjetunion,
weshalb er in seiner Heimat kritisch gesehen wird.
Im Westen gefeiert, in Russland mit gemischten Gefühlen beäugt.
Michail Gorbatschow ist für viele Russen der Mann,
der die Sowjetunion in den Zerfall führte.
Ich habe eigentlich gute Erinnerungen.
Später war ich nicht mit allem einverstanden.
In Deutschland ist er ein Held, bei uns nicht.
Nach braver Parteikarriere in Russlands Süden und in Moskau
ist Gorbatschow ab 1985 Generalsekretär der Sowjetunion.
Er pflegt einen ungewohnt lockeren Stil.
Überall erzählt von einem neuen Denken, von Perestrojka,
dem Umbau der Sowjetunion - und von Glasnost:
Einer neuen Offenheit der Staatsführung.
Doch dann gärt es im eigenen Land,
Sowjetrepubliken erklären die Unabhängigkeit.
Gorbatschow verspiele das Erbe,
sagen die Falken im Kreml und organisieren einen Putsch.
Gorbatschow kehrt nie auf die politische Bühne zurück.
Präsident Putin kritisierte er beim Thema Meinungsfreiheit.
Er ist an derselben Krankheit erkrankt wie ich damals:
Zu viel Selbstvertrauen.
Gorbatschow wird am Samstag
in Moskau neben seiner Ehefrau Raissa beigesetzt.
In Deutschland wird Michail Gorbatschow verehrt.
Ohne ihn und seine Reformpolitik wäre die friedliche Revolution
in der DDR nicht möglich gewesen - da sind sich alle einig.
Als Wegbereiter der Deutschen Einheit
wurde er von Politikern hierzulande gewürdigt.
Herausgestellt wird auch der friedensstiftende Charakter
seiner Politik im Gegensatz zur heutigen russischen.
Als der frühere russische Präsident Gorbatschow 1989 Ost-Berlin besucht,
gelingt ihm eine Überraschung.
Er geht auf westliche Medien zu und wählt Worte,
die Spielraum für Interpretationen lassen.
Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren.
In Bonn feiern Tausende Gorbatschow mit einem Spitznamen:
Gorbi, Gorbi!
Auf den Fall der Mauer folgen komplizierte Verhandlungen
über eine mögliche Einheit Deutschlands.
Die Annäherung mit Kanzler Kohl gelingt beim Spaziergang im Kaukasus.
und der "Strickjacken-Diplomatie".
Wir hatten uns die Wiedervereinigung ja in Zeiten des Kalten Krieges
gar nicht vorstellen können.
Dass es doch dazu gekommen ist, in Frieden und Freiheit,
ohne einen Tropfen Blut, war ohne Gorbatschow unvorstellbar.
1990 ist Gorbatschow dabei,
als die Außenminister den Zwei-Plus-Vier-Vertrag unterzeichnen:
Zwischen BRD und DDR einerseits und den Siegermächten andererseits.
Der Beginn einer neuen Zeitrechnung.
Er hat uns die Möglichkeit gegeben, Deutschland zu vereinigen:
Mit Bündnis-Freiheit,
dass wir in der NATO, in der EU geblieben sind.
Das sind Dinge, die wir ihm zeitlebens danken müssen.
Trauer um einen Staatsmann,
der für Frieden zwischen Ost und West steht.
Fünf Tage vor der Gedenkfeier zum Olympia-Attentat von 1972
hat sich die Bundesregierung
mit den Hinterbliebenen der Opfer geeinigt.
Die Angehörigen der elf getöteten israelischen Olympia-Teilnehmer
erhalten eine Entschädigung von 28 Millionen Euro.
Außerdem sollen Versäumnisse der Sicherheitsbehörden
bei dem Anschlag palästinensischer Terroristen aufgearbeitet werden.
Die Hinterbliebenen hatten gedroht, der Feierstunde fernzubleiben.
Zugeschaltet aus Tel Aviv ist Sophie von der Tann.
Gibt es Reaktionen aus Israel?
Der israelische Staatspräsident Herzog begrüßt die Einigung.
Er nennt die Entschädigung angemessen.
Er begrüßt, dass Deutschland Verantwortung übernimmt.
Und dass es Aufarbeitungen geben sollen:
Deutsche und israelische Historiker werden sich damit beschäftigen,
was 1972 passiert ist.
Es wird eine israelische Delegation zur Gedenkfeier geben.
Die Hinterbliebenen werden mit dabei sein.
Und auch Teilnehmer der Olympischen Spiele 1972.
Was bedeutet diese Einigung für die Hinterbliebenen?
50 Jahre lang
haben die Hinterbliebenen gekämpft um Anerkennung und Entschädigung.
Natürlich geht es um Geld - aber nicht nur.
Es hat Jahre gedauert bis zu einem Gedenkort in München.
Erst 2021 gab es eine Gedenkminute bei Olympischen Spielen
für die Opfer von 1972.
Erst 50 Jahre später übernimmt Deutschland Verantwortung.
Hätte man sich nicht geeinigt,
hätte das einen Schatten geworfen auf die Gedenkveranstaltung Montag.
Die Familien hatten die Teilnahme fast schon abgesagt.
Danke.
Für Russen wird es schwieriger, in die EU einzureisen.
Als weitere Strafmaßnahme wegen des Ukraine-Kriegs
hat die EU ein Abkommen ausgesetzt.
Dies erleichterte Russen die Visa-Vergabe.
Die Zahl neuer Visa werde nun reduziert.
Das sagte der EU-Außenbeauftragte Borrell in Prag.
Ein weitreichendes Einreiseverbot werde es erst mal nicht geben.
Das Bundeskabinett hat bei seiner Klausur
auf Schloss Meseberg beschlossen, die Digitalisierung voranzutreiben.
Dieses Schlagwort sichert sofort Aufmerksamkeit.
Im Moment steht aber die Frage im Vordergrund,
was die Bundesregierung gegen den Anstieg der Energiekosten tut.
Dazu gab es aber wenig Neues.
Denn über das dritte Entlastungspaket
ist sich die Koalition noch nicht einig.
Die drei Spitzenpolitiker der Ampelkoalition
auf einer Pressekonferenz - das hat Seltenheitswert.
Sie wollten Einigkeit demonstrieren.
Wir haben die Themen der Sicherheit besprochen,
was Energie und äußere Sicherheit betrifft.
Wir haben das in einer guten, konstruktiven Atmosphäre getan.
Am zweiten Tag wieder Thema: das dritte Entlastungspaket
Die Regierung will es bis nächste Woche vorlegen.
Finanzminister Lindner
sieht Spielräume im einstelligen Milliardenbereich.
Wir brauchen ein wuchtiges Paket für Entlastungen
in der Breite der Gesellschaft.
Im Hinblick auf Energiepreise will der Wirtschaftsminister prüfen,
wie die Märkte reformiert werden können:
Damit Preise nicht weiter steigen.
Wir müssen diesen Winter überstehen als Land, als Gesellschaft,
um dann die Zukunft selbstbewusst zu gestalten.
Verabschiedet wurde eine Digitalstrategie:
Darunter Vorhaben wie der Ausbau des Glasfasernetzes
oder die elektronische Gesundheitsakte.
Wir kommen damit einen entscheidenden Schritt voran.
Wir verlieren uns nicht in Zukunftsvisionen,
sondern gehen Digitalisierung an.
In die Debatte um einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets
könnte Bewegung kommen.
Verkehrsminister Wissing hat ein Konzept vorgelegt.
Der deutsche Arbeitsmarkt
zeigt sich trotz aller Unsicherheiten weiter relativ robust.
Im August ist die Zahl der Erwerbslosen zwar leicht gestiegen.
Das lag aber offenbar daran,
dass sich bei den Agenturen auch viele ukrainische Geflüchtete melden.
Stefan Wolff,
wie kommen die Zahlen an den Finanzmärkten an?
Die robusten Daten sind immer wieder ein Beleg dafür,
dass die Wirtschaft besser durch die Krisen kommt als angenommen.
Trotzdem gilt der sorgenvolle Blick den Rahmenbedingungen,
vor allem der Inflation.
Die frisst viel von Lohn und Gehalt auf.
Dadurch wird weniger konsumiert.
Die Inflation ist im Euro-Raum auf über neun Prozent gestiegen.
Das dürfte die EZB auf den Plan rufen.
Sie müsste einen kräftigen Zinsschritt machen.
Der DAX verliert.
Es geht die Angst um vor der Rezession.
Danke.
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele
ist im Alter von 83 Jahren gestorben.
Wie sein Anwalt bekannt gab, hatte Ströbele beschlossen,
lebenserhaltende Maßnahmen nach langer Krankheut zu reduzieren.
Ströbele gehörte zu den Mitbegründern der Partei,
lag aber oft mit ihr über Kreuz.
Seine Politikfelder waren Bürgerrechte,
Geheimdienste und Datenschutz.
Hans-Christian Ströbele -
die Symbolfigur des linken Flügels der Grünen.
1939 geboren,
oft mittendrin in der bundesdeutschen Geschichte.
In den 70ern als Mitglied im Sozialistischen Anwaltskollektiv
mit Otto Schily verteidigt er Terroristen der RAF.
Im selben Jahrzehnt gründet er die linke Tageszeitung taz mit.
Früh ist er auch bei den Grünen dabei.
1985 zieht er in den Bundestag ein.
Wird einer der größten Kritiker des grünen Außenministers Fischer,
als dieser sich für Auslandseinsätze der Bundeswehr ausspricht.
2002 verweigert ihm die Partei einen der vorderen Listenplätze.
Doch Ströbele gewinnt als erster Grüner ein Direktmandat:
Das ist, wenn ich jetzt heute in meinem Leben zurückdenke,
einer der glücklichsten Augenblicke in meinem Leben.
Ich wurde auf der Mitglieder- Vollversammlung der Grünen
für die Landesliste nicht auf einem aussichtsreichen Platz nominiert.
Und ich war darüber enttäuscht.
Dann habe ich gesagt: Ich mach das alleine.
Seinen Weg allein zu gehen, macht ihm wenig aus.
Hauptsache, er bleibt seinen Idealen treu.
Jüngst erst äußert er sich
zurückhaltend zu Waffenlieferungen an die Ukraine.
"Es ist fantastisch."
So euphorisch zeigt sich die Schauspielerin Julianne Moore
vor dem Start der Internationalen Filmfestspiele in Venedig.
Sie ist Jury-Präsidentin
und hat die Filme im Vorfeld als "ausgezeichnet" gelobt.
Nicht nur sie freut sich auf ein Filmfest ohne Corona-Sichtschutz.
Bis zum 10. September
sind 23 Wettbewerbsbeiträge im Rennen um den Goldenen Löwen.
Scheinwerfer auf den Lido.
Das älteste Filmfest zieht die Branche an.
Stars legen auf der Insel vor Venedig mit Wassertaxis an,
erwartet von Fotografen und Fans.
Nina Hoss spielt in dem Film "Tar" an der Seite von Cate Blanchet
eine deutsche Dirigentin.
Gedreht wurde auch in der Dresdner Philharmonie.
Paul Schrader
ist unter anderem bekannt durch "Ein Mann für gewisse Stunden".
Er erhält einen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk.
Genauso Catherine Deneuve,
die in den Farben der Ukraine erscheint.
Auch der Festival-Chef setzt politische Zeichen.
Es gibt einen Tag, der der Ukraine gewidmet ist.
Um Solidarität zu zeigen
und um die Regisseure und das Kino der Ukraine zu unterstützen.
Die Jury-Leitung ist weiblich und hochkarätig besetzt
mit der US-Schauspielerin Julianne Moore.
Als ich zehn Jahre alt war
lebten wir in Alaska in einer winzigen Stadt.
Jede Woche lief ein neuer Film an.
Ich ging immer hin, sah Disney-Filme.
Als ich diese Filme gesehen hatte, dachte ich mir:
Was ist das für eine Welt da draußen?
Deutschland ist im Wettbewerb nicht vertreten.
Eröffnet werden die Festspiele
mit der Netflix-Produktion "White Noise".
Die Wetteraussichten:
Morgen im Westen und Nordwesten sonnig.
Sonst eine Mischung aus Sonne und Wolken,
aber nur vereinzelt Schauer oder Gewitter.
Um 20 Uhr haben wir die nächste tagesschau.
Im Programm geht es weiter mit Mareile Höppner und Brisant.
Ich wünsche einen schönen Abend.